Auch diesen Sommer finden wieder jährliche Revisionsarbeiten statt, daher bleiben die Lesesäle am Standort Heldenplatz und in allen Sammlungen von Freitag, 25. Juli bis Dienstag, 5. August 2025 geschlossen.
Aufgrund der Abschaltung des Bestellsystems können von Donnerstag, 24. Juli 2025, 16 Uhr bis Dienstag, 5. August 2025, 16 Uhr keine Medienbestellungen angenommen werden. Ab Mittwoch, 6. August 2025 gelten dann wieder die regulären Öffnungszeiten.
Der Studiensaal der Albertina ist von 15. Juli bis 15. August geschlossen. Während dieser Zeit (ausgenommen 25. Juli bis 5. August) werden bestellte Medien des Albertinabestandes zweimal wöchentlich (Montag und Donnerstag) in die Lesesäle der Nationalbibliothek am Heldenplatz transportiert und können dort verwendet werden.
Ab 1. August 2025 öffnet der Prunksaal bereits um 9 Uhr.
Aufgrund einer Veranstaltung bleibt der Prunksaal am 4. August 2025 ganztägig geschlossen.
Woher wir kommen, ist Zufall, und prägt uns doch nachhaltig. Herkunft kann Halt geben oder eine Bürde sein. Wer ihr entfliehen will oder muss, kehrt nicht selten eines Tages wieder zu den eigenen Wurzeln zurück. Herkunft, schreibt der deutsch-bosnische Autor Saša Stanišic, ist „Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat“. Eine neue Sonderausstellung im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek beschäftigt sich mit diesem aktuellen Thema.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Herkunftsgeschichten aus der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart; internationale Perspektiven ergänzen das Spektrum: Wie wird über soziale Herkunft, ökonomische Ungleichheit und Klasse erzählt? Welche Rolle spielen Migration und Mehrsprachigkeit in der Literatur? Welche Familienverhältnisse begegnen uns in Texten?
Handschriften, Lebensdokumente, künstlerische Arbeiten, Film- und Tonbeispiele widmen sich dem Aufwachsen, Aufbrechen und Zurückkehren, dem Sich-Erinnern und Neu-Erfinden. Eine „Galerie der Dinge“ präsentiert persönliche Gegenstände, die Autorinnen und Autoren mit ihrer Herkunft verbinden.
Wie sehr Bilder, Familienfotos und Schnappschüsse die Erinnerung an unsere Herkunft prägen, machen zahlreiche private Fotografien, Foto-Fundstücke von Arno Geiger, Polaroids von Peter Handke, Super-8-Aufnahmen der französischen Schriftstellerin Annie Ernaux und Foto-Collagen der kanadischen Künstlerin Sandy Middleton deutlich. Die Ausstellung lädt dazu ein, die vielen Herkunftsgeschichten in der Literatur zu erkunden und sich vielleicht auch mit der eigenen Herkunft auseinanderzusetzen. Denn Herkunft betrifft uns alle: Uns, die wir aus verschiedenen Weltgegenden kommen, viele Sprachen sprechen und unsere je eigene Geschichte haben.
Die Ausstellung reagiert auf ein aktuell großes Interesse am Thema Herkunft – sowohl in der Literatur und in den Künsten, als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Ein entscheidender Impuls für die Konjunktur an literarischen Herkunftserzählungen kam und kommt aus Frankreich. Neben Didier Eribon und Édouard Louis steht vor allem die 2022 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Schriftstellerin Annie Ernaux für eine innovative literarische Form, die die Autorin selbst als „autosoziobiografisch“ bezeichnet. Die eigene Kindheit und Sozialisierung, Geschlechterrollen, Klassen- und Gewalterfahrungen werden dabei mit soziologischem Blick und den Mitteln der Literatur zugleich geschildert.
Schon in den 1970er Jahren befasste sich eine sozialkritische Richtung der österreichischen Literatur intensiv mit der Lebensrealität von Arbeiter*innen, einfachen Angestellten und „Kleinhäuslern“, mit ihren Aufstiegswünschen und Abstiegsängsten. Neu an der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit sozialer Herkunft, Ungleichheit, Zugehörigkeit und Identität ist, dass vermehrt auch „postmigrantische“ Perspektiven Einzug halten. Schriftsteller*innen wie Julya Rabinowich oder Ilija Trojanow widmen sich Aspekten der Herkunft und Interkulturalität, ohne dass ihr Werk freilich darauf zu reduzieren wäre.
Die Kapitel der Ausstellung – Aufwachsen, Aufbrechen, Zurückkehren, Erinnern und Erfinden – stehen für biografische Wegmarken, anhand derer sich Herkunftsgeschichten nachzeichnen lassen. Texte von Adelheid Popp, Alfons Petzold, Manès Sperber, Christine Lavant, Erich Fried, Christine Nöstlinger, Anita Pichler oder Monika Helfer berichten vom Aufwachsen in unterschiedlichen Milieus, in der Stadt und auf dem Land, in Armut und in Wohlstand.
Vom Aufbrechen im mehrfachen Sinn, von Klassenwechsel und sozialer Mobilität einerseits, Migration und Flucht andererseits erzählen Autor*innen wie Franz Innerhofer, Gernot Wolfgruber, Theodor Kramer und Elfriede Jelinek.
Der Wiederbegegnung mit der eigenen Herkunft aus der Distanz widmen sich Bücher wie „Wunschloses Unglück” (1972), Peter Handkes vielgelesene Rekonstruktion der Biografie seiner Mutter nach deren Suizid, für die der Autor in seinen Kärntner Heimatort Griffen zurückkehrte, oder Erich Hackls „Dieses Buch gehört meiner Mutter” (2013), in dem der Autor die Lebensgeschichte seiner aus bäuerlichen Verhältnissen im oberösterreichischen Mühlviertel stammenden Mutter nachzeichnet. Eine Rückkehr anderer Art ist jene der Emigrant*innen Hilde Spiel und Günther Anders, die nach langen Jahren des Exils nach Ende des Zweiten Weltkriegs in ihre Geburtsorte zurückkehren.
Dass Herkunft mit traumatischen Kriegserlebnissen und schmerzhaften Familienerinnerungen verbunden sein kann, wird in den Texten und Lebensdokumenten von Elfriede Gerstl, Robert Schindel, Florjan Lipuš und Maja Haderlap deutlich.
Vom spielerisch-erfinderischen Umgang mit der eigenen Herkunft zeugen die vielen Alter Egos des Verwandlungskünstlers H. C. Artmann oder Ödön von Horváths ironische Selbstauskünfte. Auf die Notwendigkeit, sich den Geschlechternormen und Prägungen der eigenen Erziehung zum Trotz neu zu erfinden, verweist Marlene Streeruwitz.
Herkunft manifestiert sich in Gegenständen; eine „Galerie der Dinge“ rückt diesen Zusammenhang ins (räumliche) Zentrum der Ausstellung. Ob Alltagsgegenstände oder kostbare Einzelstücke aus der Familie: Materielle Gegenstände begleiten uns, soziale Unterschiede werden an ihnen deutlich.
Zehn Autor*innen folgten der Aufforderung, für die Ausstellung einen persönlichen Gegenstand auszuwählen, den sie mit ihrer eigenen Herkunft verbinden und in einem Statement seine Geschichte zu erzählen. Ob ein Kupferarmband aus dem Kongo, ein iranischer Pass, ein Teelöffel, ein Tennisschläger oder eine japanische Puppe: Nicht selten sind es starke Erinnerungsbilder, die sich an solche konkreten Dinge knüpfen. Kaśka Bryla, Ann Cotten, Nava Ebrahimi, Milena Michiko Flašar, Omar Khir Alanam, Anna Kim, Radek Knapp, Barbi Marković, Fiston Mwanza Mujila und Vladimir Vertlib steuerten Gegenstände und mehrsprachige Texte zur „Galerie der Dinge“ bei.
Ein interaktiver Rundgang durch die Ausstellung lädt dazu ein, sich mit der eigenen Herkunft auseinanderzusetzen und Fragen zu beantworten, die uns alle betreffen: Wo sind wir zuhause? Welche Sprachen sprechen wir? Leben wir noch dort, wo wir geboren wurden? Was wissen wir über unsere Familiengeschichte? Eine „Herkunfts-Werkstatt“ lädt die Besucher*innen dazu ein, spielerisch neue Herkünfte zu erfinden und selbst Foto-Collagen herzustellen.
In Kooperation mit „Der Standard”; Moderation: Sibylle Hamann; Gespräch mit Reinhard Kaiser-Mühlecker, Andrea Roedig und Ivna Žic.
Woher wir kommen, ist Zufall, und prägt uns doch nachhaltig; Herkunft kann Halt geben oder eine Bürde sein. Die neue Sonderausstellung im Literaturmuseum „Woher wir kommen. Literatur und Herkunft” handelt vom Aufwachsen, Weggehen und Zurückkehren, vom sich Erinnern und neu Erfinden. Im Zentrum steht jene Literatur, die von sozialer Herkunft, ökonomischer Ungleichheit, Klasse und Migration handelt. Zur Ausstellung erscheint ein reich bebildertes Begleitbuch im Paul Zsolnay Verlag. Aus diesem Anlass spricht Sybille Hamann mit den Autor*innen Reinhard Kaiser-Mühlecker, Andrea Roedig und Ivna Žic, deren Texte auf je unterschiedliche Art und Weise von Herkunft handeln.
Der deutsche Journalist und Schriftsteller Christian Baron schildert in autobiografischen Texten wie „Ein Mann seiner Klasse” (2020) sein Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen, die mit der sozialen Herkunft verbundenen Demütigungen und den Weg vom Arbeiterkind zum Beststellerautor. Baron liest aus seinen Werken und spricht über die anhaltende Konjunktur autobiografischer Herkunftserzählungen sowie über Gegenstände, die von sozialer Zugehörigkeit erzählen.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und Kindheitsgegend im Süden Kärntens spielt im Werk Peter Handkes von Beginn an eine bedeutende Rolle. Anlässlich der aktuellen Sonderausstellung im Literaturmuseum „Woher wir kommen. Literatur und Herkunft“ spricht die Literaturkritikerin Brigitte Schwens-Harrant mit der Schriftstellerin Birgit Birnbacher und dem Literaturwissenschaftler Hans Höller über das Erkunden von Herkunft und Zugehörigkeit in der Literatur und die Bedeutung des Herkommens, Weggehens und Sich-neu-Erfindens für das Schreiben. Am Beginn des Abends liest Bibiana Beglau aus Texten Peter Handkes zum Thema, von „Wunschloses Unglück” (1972) bis hin zu jüngst erschienenen Prosaarbeiten wie „Die Ballade des letzten Gastes” (2023).
Woher wir kommen. Literatur und Herkunft
Sonderausstellung im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, Johannesgasse 6, 1010 Wien
Kuratiert von Cornelius Mitterer und Kerstin Putz
24. April 2025–15. Februar 2026
Di–So: 10–18 Uhr, Do: 10–21 Uhr
Eintritt: € 9,- / Führung: € 5,- / Ermäßigungen / Freier Eintritt für alle unter 19 Jahren
Ausstellungskatalog „Woher wir kommen. Literatur und Herkunft” (Band 32 der Reihe „Profile”), hg. von Cornelius Mitterer und Kerstin Putz. Wien: Zsolnay, 2025. € 29,90
Die Verwendung des zur Verfügung gestellten Bildmaterials im Rahmen der Berichterstattung über die Österreichische Nationalbibliothek ist kostenfrei. Copyright, falls nicht anders angegeben: Österreichische Nationalbibliothek.
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