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Auch diesen Sommer finden wieder jährliche Revisionsarbeiten statt, daher bleiben die Lesesäle am Standort Heldenplatz und in allen Sammlungen von Freitag, 25. Juli bis Dienstag, 5. August 2025 geschlossen.

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Der Studiensaal der Albertina ist von 15. Juli bis 15. August geschlossen. Während dieser Zeit (ausgenommen 25. Juli bis 5. August) werden bestellte Medien des Albertinabestandes zweimal wöchentlich (Montag und Donnerstag) in die Lesesäle der Nationalbibliothek am Heldenplatz transportiert und können dort verwendet werden.

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Ab 1. August 2025 öffnet der Prunksaal bereits um 9 Uhr.

Prunksaal

Aufgrund einer Veranstaltung bleibt der Prunksaal am 4. August 2025 ganztägig geschlossen.

„Gummikönig“ bis „Busenbalsam“: Kurioses Erotik-Marketing der Belle Époque

Bibliothek

08.05.2025
Geschichte in Geschichten
Alte Zeitungsannonce.

In diesem Blog widmen wir uns historischen erotischen Annoncen und Anzeigen zu Verhütungsmitteln aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts.

Autorin: Alice Dominique

Die Idee für diesen Blog und die Zusammenstellung der ausgewählten Annoncen entstand während einer Auftragsrecherche. Die Durchführung dieser Recherchen zählt zu den klassischen Aufgaben eine*r Bibliothekar*in der Hauptabteilung „Benützung und Information“ der Österreichischen Nationalbibliothek. Eine Auftragsrecherche können Informationssuchende übrigens jederzeit unkompliziert veranlassen – für die erste halbe Stunde ist dieses Service kostenfrei. Klicken Sie hier, um mehr Informationen zu Auftragsrecherchen zu erhalten.

Die ein oder andere Person denkt bei der Durchführung der Auftragsrecherche vermutlich an das stereotypische Bild einer Bibliothekar*in, der*die staubige, alte Wälzer durchforstet – dank der urheberrechtsfreien, digitalisierten und per Volltext durchsuchbaren Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek ist eine Recherche jedoch heute deutlich kommoder als noch vor wenigen Jahrzehnten. Für die Inhalte dieses Blogs wurde das Portal ANNO, der virtuelle Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek für historische Zeitungen und Zeitschriften, herangezogen. Sie können jederzeit – auch ohne gültige Benützungskarte – in den digitalisierten Beständen des Portals (oder aber auch im bestandsübergreifenden Portal ÖNB Digital) schmökern und sich selbst auf die Suche nach amüsanten Annoncen begeben.

Der „Gummikönig“ von Wien

Carl Schleifer war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der wahrscheinlich prominenteste Gummiwarenhändler von Wien. Annoncen, wie diese in der Zeitung „Wiener Bilder“ vom 4. November 1908, sind reichlich in zeitgenössischen Zeitungen zu finden. Diese bewarben „die besten Fabrikate Pariser hygienischer Gummispezialitäten“. Nur der „Gummikönig“ sei in der Lage „das Neueste und Beste“ zu den billigsten Preisen bieten zu können.

Abb. 1: Annonce des „Gummikönigs“ Carl Schleifer, in „Wiener Bilder“, 4. November 1908, S. 28

Wie der Annonce zu entnehmen ist, befand sich das Gummiwarengeschäft an prominenter Adresse am Stephansplatz Nummer 2. Der Eingang des Geschäfts wurde durch den österreichischen Juristen und Fotografen Emil Mayer in folgender Fotografie festgehalten. Emil Mayer zeichnete sich durch seine Kunst aus, Wiener Straßenbilder virtuos zu dokumentieren und so die Wiener Seele der Belle Époque zu verewigen. Im Fokus der Fotografie des Eingangs am Stephansplatz Nummer 2 steht zwar der observierende Portier – im Hintergrund ist jedoch die Auslage des „Gummikönigs“ zu erkennen. Ein Schild am Schaufenster wies explizit auf den Verkauf der „Pariser Gummispezialitäten“ hin.

Schwarz-Weiß-Foto eines Menschen, der vor dem Eingang eines Geschäfts sitzt.
Abb.2: Portier am Eingang des Geschäfts „Zum Gummikönig“ am Stephansplatz 2 [Fotografie, Emil Mayer]

Durch Zeitungsannoncen, aber auch Plakate, pflegte der „Gummikönig“ eine dezidierte Werbestrategie. Diese Marketingpräsenz blieb auch Karl Kraus nicht verborgen: In dem Essay „Welt der Plakate“ beschreibt Kraus eine dystopische Vision, in der selbst die Traumwelt von Werbung und kommerziellen Interessen durchdrungen ist. Er erwähnt die verschiedenen „Könige" unterschiedlicher Branchen – unter anderem eben auch den „Gummikönig“.1 Dessen Produkte stellt Kraus mit elegantem Wortwitz auf die „Zerreißprobe“: „Seine Augen mahnen uns an unsere Sünden, aber seine Züge sprechen für die Unzerreißbarkeit menschlichen Vertrauens.“

„Vorsicht ist die Mutter der Weisheit!“

Aber auch andere Präservativproduzenten warben originell für ihre Produkte. Insbesondere der tschechische Hersteller Naske glänzte mit seiner sowohl optisch als auch grammatikalisch kreativen Annoncen-Gestaltung sowie markigen Aussagen zur Produktqualität – so auch in dieser Annonce aus 1903 in der Zeitung „Wiener Bilder“. Die „Gummi-Schutz-Artikel“ seien: „Das Hochfeinste was existiert! Etwas Feineres gibt es überhaupt auf der ganzen Welt nicht.“ 

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 3: Annonce des Gummiwarenhändlers F. Naske, in: „Wiener Bilder“, 12. August 1903

Die Annonce des Sanitasversand aus dem Jahr 1919 verspricht: „Vom Guten das Beste!“ und „Jedes Stück ist vom Fachmann geprüft“. Eine – aus heutiger Sicht – Obskurität in der Geschichte der Präservative sind die in dieser Annonce angepriesenen sogenannten „Fischblasen“. Diese wurden aus den Schwimmblasen, einem Organ der Knochenfische, produziert und waren auf Grund ihrer feinen Membran eine populäre Kondomart. 

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 4: Annonce Sanitasversand, in: „Das interessante Blatt“, 20. März 1919

Ältere Semester können sich sicher noch an die in den 1950er bis 1980er-Jahren allgegenwärtigen Verkaufsautomaten der Kondommarke „OLLA“ erinnern. Die „OLLA“ Gummi-Fabrik setzte in dieser Zeitungsanzeige aus dem Jahr 1914 auf eine szenenhafte, medizinisch legitimierte Bilderzählung und mahnt die potenziellen Kund*innen sich „keine Nachahmungen zum selben Preise wie OLLA“ andrehen zu lassen.

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 5: Annonce „OLLA“ Gummiwarenhändler, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914

Der Wiener Geschäftsmann A. Thurmann versuchte die Neugier seiner potenziellen Kund*innen in dieser Annonce wie folgt zu wecken: „Machen Sie nur einen Versuch! Kein Risiko!“. In diesem Fall seien die „hygienischen Seiden-Gummi“ eine „epochenmachende Neuheit“.

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 6: Annonce des Gummiwarenproduzenten A. Thurman, in: „Das interessante Blatt“, 28. März 1907

Ein weiterer Wiener „Schutzmittel“-Fabrikant war „Gummi-Müller“. In der Annonce dieses Produzenten wird die Unverwüstlichkeit der Präservative angepriesen – seine Verhütungsmittel seien daher „jahrelang brauchbar“.

Alte Zeitungsannonce.
Abb 7: Annonce Gummi Müller, in: „Wiener Bilder“, 21. Dezember 1930

„Unverantwortlich ist es, dass Sie nicht Glóma hygienische Präparate benützen“ wird der*die Leser*in der Annonce der Glóma-Industrie getadelt.

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Abb. 8: Annonce der Glóma-Industrie Eduard Redlich, in: „Das interessante Blatt“, 8. Juni 1911

Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass viele der einschlägigen Werbeanzeigen mit Kreuzen als Sanitätssymbole versehen sind, um mittels medizinischer Aufmachung die „verruchte“ Zweckbestimmung der Produkte verschämt zu kompensieren!

Historische Wundermittel: Von Manneskraft-Präparate bis Busenbalsam

Potenzmittel waren eine weitere lukrative Einnahmenquelle für Gummiwarenhändler – so auch für den bereits thematisierten „Gummikönig“. In dieser Annonce wird das Produkt „Amor-Star“ beworben, das Manneskraft nach dem Vorbild des venezianischen Liebeshelden Giacomo Casanova verspricht. 

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 9: Eine weitere Annonce des „Gummikönigs“, in: „Wiener Bilder“, 21. Dezember 1930

Historische Zeitungen des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts enthalten eine Fülle an Annoncen, welche sogenannte „Busencremes“, „Busenbalsame“ oder „Busenwasser“ zur Pflege der Büste bewarben. Mit dem doch ein wenig plumpen Slogan „Feschoform wirkt enorm“ garantiert diese Annonce die Wirksamkeit des Busenbalsams und bietet bei erfolglosem Gebrauch eine Geld-zurück-Garantie an. 

Alte Zeitungsannonce.
Abbildung 10: Annonce Fr. Kögler „Feschoform“, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914

Nicht wesentlich subtiler geht die „Ideal Busencreme“ ins werbliche Rennen um Kundinnen. „Das Geheimnis der Wienerin“ war laut dieser Annonce ein lokales Konkurrenzprodukt des „Feschoform-Busenbalsam“.

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 11: Annonce „Ideal Busencreme“, in: „Das interessante Blatt“, 19. November 1914

Literatur für „geheime Liebesmächte“

Das Verlegen von Liebesratgebern war ein weiterer boomender Geschäftszweig dieser Zeit. Die Annonce der Liebesfibel „Die geheimen Liebesmächte“ klärt umfassend über die Inhalte dieses Ratgebers auf, der den Preis von 5 Kronen als wohlfeile Investition erscheinen lässt: „Reiche Mädchen und Frauen zu erobern – welche Taktik man ihnen gegenüber mit Erfolg anwendet.“

Alte Zeitungsannonce.
Abb. 12: Annonce „Die geheimen Liebesmächte“, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914

In dieser Literatur-Zeitungsanzeige wird dem Ratgeber „Häusliches Glück oder Was ein Mann und ein Mädchen vor und von der Ehe wissen müssen“ eine hohe Qualität attestiert: „Dieses Werk wurde von hohen und höchsten Persönlichkeiten geprüft, es ist das beste was existiert.“ Die seriöse Verbrämung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wohl auch „pikante“ Fantasien im Werk bedient wurden. Prüfen Sie es gerne nach, hier im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek!

Alte Zeitungsannonce.
Abb.13: Annonce „Häusliches Glück“, in: „Die Bombe“, 10. Mai 1908

Können wir Ihnen bei Recherchen helfen? Kontaktieren Sie unsere Bibliotheksexpert*innen:

Abt. Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement
Josefsplatz 1
1015 Wien

Persönlich: Mo.– Fr. 9.00 – 21.00 Uhr
Tel.: +43 1 534 10-444
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Live-Chat: Mo.-Fr. 9.00 – 21.00 Uhr

Workshops und Seminare zur Verbesserung Ihrer Recherchekompetenz

 

Zur Autorin: Alice Dominique, BA ist Mitarbeiterin der Abteilung Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement und Vortragende im Center für Informations- und Medienkompetenz der Österreichischen Nationalbibliothek.

 

Abbildungen:

Titelbild: Annonce Christian Ploss, in: "Das interessante Blatt", 15. August 1912

Abbildung 1: Annonce des „Gummikönigs“ Carl Schleifer, in „Wiener Bilder“, 4. November 1908, S. 28 

Abbildung 2: Portier am Eingang des Geschäfts „Zum Gummikönig“ am Stephansplatz 2 [Fotografie, Emil Mayer]

Abbildung 3: ANNO, Wiener Bilder, 1903-08-12, Seite 22

Abbildung 4: Annonce Sanitasversand, in: „Das interessante Blatt, 20. März 1919 

Abbildung 5: Annonce „Olla“ Gummiwarenproduzent, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914 

Abbildung 6: Annonce des Gummiwarenproduzenten A. Thurman, in: „Das interessante Blatt“, 28. März 1907 

Abbildung 7: Annonce Gummi Müller, in: “Wiener Bilder“, 21. Dezember 1930

Abbildung 8: Annonce der Glóma-Industrie Eduard Redlich, in: „Das interessante Blatt“, 8. Juni 1911

Abbildung 9: Eine weitere Annonce des „Gummikönigs“, in: „Wiener Bilder“, 21. Dezember 1930 

Abbildung 10: Annonce Fr. Kögler „Feschoform“, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914

Abbildung 11: Annonce R.A. Hoffmann „Ideal Busencreme“, in: „Das interessante Blatt“, 19. November 1914 

Abbildung 12: Annonce „Die geheimen Liebesmächte“, in: „Das interessante Blatt“, 1. Jänner 1914 

Abbildung 13:Annonce „Häusliches Glück“, in: „Die Bombe“, 10. Mai 1908

 

Fußnoten:

1Karl Kraus, „Die Welt der Plakate“, in: „Die Fackel“, Nummer 283/284, S. 23.

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