73 Tage durch Ägypten und Palästina

Forschung

30.05.2018
Bilder und Grafiken, Quellen zur Österreichischen Geschichte
Mann mit Bart und Uniform
In ihrer Dissertation „‚My whole concept of the world has changed’. Der Tier- und Jagdmaler Franz von Pausinger auf neuen künstlerischen Wegen anlässlich der Orientreise des Kronprinzen Rudolf im Jahr 1881“ untersucht die Autorin den künstlerischen Beitrag Franz von Pausingers zur Orientreise des Kronprinzen Rudolf 1881. 

Autorin: Marlies Dornig

„Übermorgen reise ich ab, worauf ich mich ungemein freue“[1], teilte Kronprinz Rudolf (1858–1889) am 7. Februar 1881 seinem ehemaligen Lehrer Josef Latour mit. Nachdem sich die Vermählung mit Prinzessin Stephanie von Belgien (1864–1945) verzögerte, wurde für den Kronprinzen eine Reise arrangiert, die ihn vom 9. Februar bis 22. April 1881 durch Ägypten und Palästina führte. Die Dissertation „‚My whole concept of the world has changed’. Der Tier- und Jagdmaler Franz von Pausinger auf neuen künstlerischen Wegen anlässlich der Orientreise des Kronprinzen Rudolf im Jahr 1881“ beschäftigt sich erstmals mit dem gesamten künstlerischen Beitrag zur Orientreise des Kronprinzen.


Abb. 1: Johann Klaus, Porträt des Kronprinzen Rudolf am Frontispiz des 1884 erschienenen Prachtbands „Eine Orientreise“, BAG FID 240.670-D

Vom Kaiserhaus ursprünglich als Pilger- und Kulturreise gedacht, wurde sie vom Kronprinzen vorwiegend für Jagden und ornithologische Studien genutzt. Die Erlebnisse und Forschungsergebnisse hielt Rudolf in seinem Tagebuch fest, welches er 1881 unter dem Titel „Eine Orientreise“ veröffentlichte; 1884 folgte ein Prachtband und 1885 eine Populärausgabe. Das Buch wurde auch in einer tschechischen, ungarischen, italienischen, französischen und englischen Fassung herausgegeben.


Abb. 2: Einband Prachtband „Eine Orientreise“, Wien 1884, BAG FID 240.670-D

Für die Herstellung der Illustrationsvorlagen wurde der Salzburger Maler Franz von Pausinger (1839–1915) engagiert, einer der bekanntesten und gefragtesten Tier- und Jagdmaler der Monarchie im ausgehenden 19. Jahrhundert.


Abb. 3: Eduard Bertel, Bildnis Franz von Pausinger, Silbergelatineabzug, BAG Pf 38040C1

Seine Aufgabe war es, die wichtigsten Erlebnisse sowie Land und Leute in einer Bilddokumentation künstlerisch festzuhalten. Die vor Ort entstandenen Skizzen verarbeitete der Künstler nach der Reise in seinem Salzburger Atelier zu großformatigen Kohlezeichnungen, deren Palette von Natur- und Landschaftseindrücken über Straßenszenen, Bauwerken bis hin zu Jagdszenen reicht. Die Zeichnung „Jagd auf Ichneumon“ zeigt den Kronprinzen bei einer erfolgreichen Jagd.


Abb. 4: Franz von Pausinger, Jagd auf Ichneumon, Kohle auf Papier, BAG Pk 1631

Viele der erlegten Tiere ließ Rudolf noch vor Ort präparieren und nach Wien bringen. Seine ornithologische Sammlung befindet sich heute im Naturhistorischen Museum in Wien. Ungeachtet der Tatsache, dass die Reise von Jagderlebnissen beherrscht wurde, ließ Rudolf lange Beschreibungen von Kunst, Kultur und den Menschen vor Ort in sein Tagebuch einfließen. Pausinger erinnerte sich, dass „Gegenwart und Vergangenheit seine Aufmerksamkeit in gleichem Maße [fesselten]. Ueber dem eigenartigen Treiben des Orients vergaß er nicht, den historischen Denkmälern in gründlichster Weise unter der Führung von Brugsch Pascha seine Aufmerksamkeit zuzuwenden”[2]. Einige dieser Besichtigungen, darunter jene der Tempelruinen von Karnak, hielt Pausinger mit dem Zeichenstift fest.


Abb. 5: Franz von Pausinger, Karnak, Kohle auf Papier, BAG Pk 1647

Hierzu ist auch eine künstlerische Studie vorhanden.


Abb. 6: Franz von Pausinger, Studie zu „Karnak“, Aquarellierte Bleistiftzeichnung auf Papier, BAG Pk 3697

Selbstverständlich reiste Rudolf auch nach Jerusalem, wo er von einer Menschenmenge in die Stadt geleitet wurde.


Abb. 7: Franz von Pausinger, Einzug in Jerusalem, Kohle auf Papier, BAG Pk 1674

Neben den heiligen Stätten besuchte er auch das Pilgerhaus, wo er als Geschenk eine reich verzierte Urkunde erhielt.


Abb. 8: Diplom des Österreichischen Pilgerhauses zur Heiligen Familie in Jerusalem anlässlich des Besuches von Kronprinz Rudolf, Bleistiftzeichnung und Kalligraphie, ausgestellt am 1.4.1881, BAG PK 3003, 81

Insgesamt befinden sich 99 der mehr als 130 Kohlezeichnungen Pausingers in Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Inv. Nr. Pk 1613-Pk 1711). 1915 überließ der Kaiser diese aus dem Nachlass Pausingers „aus Allerhöchsten Privatmitteln angekaufte, den Gesamtnamen ‚Eine Orientreise‘ führende Kartons der k. und k. Familien-Fideikommiß-Bibliothek als bleibende Widmung geschenkweise“[3]. Bis zum Umbau in den 1990er-Jahren waren die Zeichnungen in den Sammlungsräumlichkeiten ausgestellt. Zwei 1965 entstandene Fotografien aus dem sogenannten „Goethesaal“ (Raum 12) dokumentieren diese Anbringung. 

 
Abb. 9 und 10: Bildarchiv und Grafiksammlung Raum 12, 11. März 1965, BAG 213832C und 213833C

Darüber hinaus werden zwanzig einzelne Skizzen- und Studienblätter Pausingers (Inv. Nr. Pk 3696-Pk 3715) bewahrt, die spannende Einblicke in den Entstehungsprozess einiger Zeichnungen geben.

Recherchen in in- und ausländischen Archiven haben ergeben, dass keinerlei offizielle Fotos der Reise erhalten sind. Einzig die Einschiffung in Cattaro am 18. April 1881 wurde vom Fotografen Carlo Weber vermutlich ohne Auftrag festgehalten.


Abb. 11: Carlo Weber, Ankunft mit dem Schiff Miramar in Cattaro, 18. April 1881, Albuminabzug, 30 x 35 cm, BAG Pk 890, 1

Die Gründe, warum ein Maler und kein Fotograf für die Reise engagiert wurde, können nicht belegt werden, da weder Briefe noch Aktenmaterial Auskunft geben. Anfang der 1880er-Jahre war die Mitnahme einer fotografischen Ausrüstung jedoch noch eine große Herausforderung und überaus kostspielig. Außerdem war es aufgrund der langen Belichtungszeiten noch nicht möglich Bewegung festzuhalten. Rudolf ging es weniger um Repräsentation als um stimmungsvolle und aktionsreiche Aufnahmen. Pausinger konnte sein Skizzenbuch überall mit sich führen und flexibel auf diverse Gegebenheiten reagieren. Solche Momentaufnahmen konnte die Fotografie in den 1880er-Jahren noch nicht leisten. Einige Jahre später entwickelte sie sich zu einem Massenmedium, nicht zuletzt durch die Erfindung der Kodak-Kamera und des Rollfilms.

Über die Autorin: Dr. Marlies Dornig MA ist Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Literatur: Marlies Dornig (2016):  „My whole concept of the world has changed“. Der Tier- und Jagdmaler Franz von Pausinger auf neuen künstlerischen Wegen anlässlich der Orientreise des Kronprinzen Rudolf im Jahr 1881, Univ. Diss, Wien

[1] Brief von Rudolf an Joseph von Latour, Wien, 7. Februar 1881. HHStA/Selekt Kronprinz Rudolf, Kt. 16.

[2] Franz von Pausinger, Erinnerungen an den Kronprinzen Rudolf. Anläßlich des fünfzigsten Jahrestages seit seiner Geburt, in: Neue Freie Presse, Wien, 21. August 1908, S.6.

[3] ÖNB BAG FKBA/Akt 57/1915 vom 5. November 1915

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