Wie kommt die Benennung der „Deutschstraße“ in Wien 23 zustande? Hat das etwas mit Deutschland oder der NS-Zeit zu tun?

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17.02.2020
Kurz und Fündig
Straßenschild Deutschstraße
Wie kommt die Benennung der „Deutschstraße“ in Wien 23 zustande? Hat das etwas mit Deutschland oder der NS-Zeit zu tun?

Die „Deutschstraße“ wurde nach Otto Erich Deutsch, einem international bekannten Musikhistoriker benannt. Das „D-Verzeichnis“ aller Werke Schuberts geht auf ihn zurück: Jedem Werk wurde eine sogenannte „D-Nummer“ zugeordnet, ähnlich dem Köchelverzeichnis für Mozart. 1980 wurde in Wien die Deutschstraße im 23. Bezirk nach Otto Deutsch benannt. Wer aber war der Mann hinter diesem Musikverzeichnis? Step by Step begeben wir uns auf die Suche nach Details zu seinem bewegten Leben.
  • Step 1: Suche in Lexika und biografischen Nachschlagewerken

Erste wichtige Anhaltspunkte über das Leben von Otto Erich Deutsch finden sich in diversen Nachschlagewerken, die online eingesehen werden können.

Die Recherche im von der Österreichischen Nationalbibliothek lizenzierten allgemeinen Nachschlagewerk » Brockhaus-Enzyklopädie führt uns weiter zum » Österreichischen Musiklexikon, beide sind online über das Datenbank-Infosystem (DBIS) aufzurufen – (dazu benötigen Sie eine gültige Benützerkarte).
 

Abb. 1: Detailansicht des Datenbank-Infosystems (DBIS)

Wir wissen nun anhand der Online-Nachschlagewerke, dass Otto Erich Deutsch jüdischer Abstammung war und recherchieren weiter im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek: Mit der Eingabe des Suchbegriffs » „Lexikon deutsch-jüdischer Autoren“ sowie » „Encyclopaedia Judaica“ im Katalog QuickSearch können die beiden Nachschlagewerke gefunden und in den Lesesälen der Österreichischen Nationalbibliothek benützt werden.

Abb. 2: Katalog QuickSearch » „Encyclopaedia Judaica“

Aus diesen Quellen geht hervor, dass Otto Erich Deutsch Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Graz und Wien studierte. Er war Buchhändler, Schriftsteller, Verleger, Privatgelehrter sowie Bibliothekar der Sammlung Anthony van Hoboken.

Nach dem sogenannten „Anschluss“ emigrierte Deutsch 1939 nach Cambridge. 1952 kehrte er nach Wien zurück und war Mitglied der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg. Er verfasste bereits 1905 erste Publikationen über Franz Schubert. Die Erstellung des thematischen Verzeichnisses aller Werke Schuberts machte ihn international bekannt. Darüber hinaus schrieb er dokumentar-biografische Arbeiten zu Franz Schubert, Wolfgang Amadeus Mozart sowie Georg Friedrich Händel. Otto Erich Deutsch verstarb 1967 in Baden – wir konsultieren hierzu die » Friedhofsdatenbank − er erhielt am Wiener Zentralfriedhof ein Ehrengrab.

Abb. 3: Lage des Ehrengrabes von Otto Erich Deutsch (Gruppe 40 Nummer 12)


Abb. 4: Ehrengrab von Otto Erich Deutsch am Wiener Zentralfriedhof
 

  • Step 2: Spurensuche im Katalog

Teile des umfangreichen Werks von Otto Erich Deutsch sind über unseren Katalog QuickSearch auffindbar. Wir starten mit der „einfachen Suche“ und der Eingabe der Suchbegriffe » „Otto Erich Deutsch“. Die Ergebnisse können anschließend nach Medium, Erscheinungsjahr/Datierung, Thema etc. gefiltert werden.

Zu Erich Otto Deutschs Schaffen zählten auch umfangreiche Feuilletons über die Stadt Wien und deren BewohnerInnen. Diese lassen sich über die „erweiterte Suche“ durch die Auswahl des Feldes Person/Institution und der Einschränkung „Otto Erich Deutsch (1883-1967)“ als Verfasser finden. Dazu zählt zum Beispiel sein Werk » „Alt-Wiener Veduten : 25 Feuilletons über Stadt und Leute“.


Abb.5:» Erweiterte Suche im Katalog QuickSearch
 

  • Step 3: Recherche in historischen Zeitungen und Zeitschriften

Otto Erich Deutsch publizierte in Zeitschriften und Zeitungen, vor allem seine Expertise über Schubert wurde in der damaligen Presse häufig rezipiert. Daher finden sich im Portal » ANNO (AustriaN Newspapers Online) zahlreiche Artikel von und über Otto Erich Deutsch. Für die Recherche in ANNO bietet die Volltextsuche eine einfache Möglichkeit, um relevantes Quellenmaterial zu finden. Die Suchergebnisse können z.B. mit der Abstandssuche („Otto Erich Deutsch Schubert“ ~ 10) verfeinert werden. Diese Form der Suche bietet die Möglichkeit die hohe Trefferanzahl einzuschränken. Es werden nur jene Treffer angezeigt, in denen zwischen den Wörtern „Erich Otto Deutsch Schubert“ nicht mehr als zehn Wörter liegen.

Abb. 6: » Volltextsuche in ANNO

Auch Otto Deutschs publizistisches Schaffen ist im Original online nachlesbar. So ist zum Beispiel sein Feuilletonbeitrag „Faschingsfreuden“ mittels der Volltextsuche in ANNO auffindbar. Er skizzierte in seinem Beitrag die Ballvergnügungen der Alt-Wiener BürgerInnen. Ein kleiner Auszug daraus:

„Die vornehmste Gesellschaft versammelte sich damals bei den Redouten, jenen Maskenfesten und Bällen, die seit 1752 in den k. k. Redoutensälen am Josefsplatz abgehalten wurden. Mozart und Beethoven haben für diese Bälle des Adels Tänze komponiert. Die Balllokale des Wiener Bürgertums waren lange Zeit hindurch sehr einfache Säle. Die tanzlustigen Gäste waren im achtzehnten Jahrhundert noch sehr anspruchslos und begnügten und vergnügten sich bei Unschlittkerzen, auf ungehobeltem Boden, mit schlechter Musik. Berühmte Stätten der Alt-Wiener Faschingsfreuden waren die „Mehlgrube“ auf dem Neuen Markt (später Hotel Munsch), wo auch später Maria Theresia manchmal getanzt hat, die „Österreichische Kaiserin“ in der Weihburggasse und der „Römische Kaiser“ in der Renngasse.“ (Die Zeit, 17.Januar 1909, S. 5)


Abb. 7: Die Zeit, 17.Januar 1909, » Seite 5
 

  • Step 4: Der Nachlass

Aufschluss über den Nachlass von Otto Erich Deutsch bietet das Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpolitischen Nachlässe in Österreich (NVL), welches über die OBVSG, die Österreichische Bibliothekenverbund und Service GmbH, online angeboten wird.


Abb. 8: » Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpolitischen Nachlässe in Österreich (NVL)

Das bewegte Leben des Namensgebers der „Deutschstraße“ steht symptomatisch für so viele vertriebene Intellektuelle in der NS-Zeit. Wir hoffen, mit unserer kleinen Recherche nicht nur die Eingangsfrage aufgelöst zu haben, sondern Ihnen auch Anregungen für die vielfältigen Online-Recherchemöglichkeiten zur Personensuche gegeben zu haben.

Weitere Recherchelinks zu Otto Erich Deutsch:

  • Nina-Maria Wanek: Otto Erich Deutsch, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen, Sophie Fetthauer (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2017 (» www.lexm.uni-hamburg.de)
  • Meldezettel von Otto Erich Deutsch: » www.wien.gv.at

 

Können wir Ihnen bei Fragen zu diesem oder einem anderen Thema helfen? Kontaktieren Sie unsere BibliotheksexpertInnen:

Abt. Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement
Josefsplatz 1
1015 Wien

Persönlich: Mo.-Fr. 9 – 21 Uhr
Tel.: +43 1 534 10-444
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