Rezension: „Berühmt sein ist nichts“

Forschung

25.04.2017
Literatur, Frau und Gender
Schwarz-weiß Portrait von einer Frau (Marie von Ebner-Eschenbach) mit Hochsteckfrisur und hochgeschlossenem Oberteil

Strigl, Daniela: Berühmt sein ist nichts: Marie von Ebner-Eschenbach. Eine Biographie. 2016


Anhand ausführlicher Recherchen und einem psychoanalytischen Ansatz setzt sich Daniela Strigl zum Ziel, ihrer „Desexualisierung, Verharmlosung und literarhistorischen Seligsprechung entgegenzuwirken“ (S. 19) und alle Facetten ihrer Persönlichkeit hervorzukehren. Im Vorwort erklärt die Verfasserin ihr Anliegen, eine Basis zu schaffen, anhand derer die klassische Schriftstellerin im modernen Kontext gelesen und verstanden werden kann.

Strigl entwirft eine sehr detaillierte Rekonstruktion des Lebens und Charakters der Schriftstellerin. Unterlegt mit vielen Zitaten aus Briefwechseln, ausführlichen Tagebucheinträgen und autobiographischen Texten dokumentiert sie alle Lebensstationen Ebner-Eschenbachs in streng chronologischer Abfolge. Der klar strukturierte Band teilt sich in vier große Abschnitte, die sich jeweils den Themen Kindheit, literarische Ambitionen und Jugend, Erwachsenenleben und erste Erfolge sowie später Ruhm und Lebensabend widmen. Marie von Ebner-Eschenbach wird demnach 1830 in eine adlige Familie in Mähren geboren, wo sie unter dem strengen Regiment des Vaters aufwächst. Die Mutter verstirbt kurz nach ihrer Geburt. Inspiriert von Schiller-Dramen und Burgtheater-Vorstellungen zeigen sich ihre literarischen Ambitionen bereits in jungen Jahren, die von der Familie jedoch strikt abgelehnt werden. Strigl kehrt hier das romantische Bild der rebellischen Künstlerin hervor, die widerspenstig und standhaft gegen die gesellschaftlichen Restriktionen ankämpft, welche ihr als Frau eine tiefergehende Bildung und den Zugang zu Wissen verwehren. Kontinuierlich verweist die Verfasserin auf Motive aus ihrer Biographie, welche Ebner-Eschenbach in ihren literarischen Texten aufgreift, ebenso werden Elemente ihrer Werke immer wieder als Reaktion auf einflussreiche Ereignisse oder als Reflexion ihres Schreibens interpretiert.

Strigl deckt Ebner-Eschenbachs literarischen Entwicklungsprozess minutiös auf indem sie historische sowie private Einflüsse und literarische Vorlagen nachrecherchiert, Erfolge und Misserfolge nachvollzieht und beschreibt, wie nahestehende Personen den Anreiz für die für die Schriftstellerin typischen Charakterstudien lieferten. Rezensionen aus Tageszeitungen vervollständigen das Bild ihres Werdegangs, der zunächst von Rückschlägen geprägt ist. Ursprünglich strebt sie eine Laufbahn als Dramendichterin auf Shakespeareschem Niveau an, erlangt jedoch schließlich nach wiederholtem Scheitern mit ihren Erzählungen, Romanen und Aphorismen die verdiente Berühmtheit. Begleitet von stetigen Zweifeln und mangels Anerkennung seitens der Familie, muss sie sich ihre Anerkennung mühsam erschreiben und gelangt erst gegen Ende ihres Lebens zu dem Ruhm, der ihr Bild bis heute prägt.

Die zunächst etwas romantisierende Beschreibung der Kindheit Marie von Ebner-Eschenbachs baut sich schnell zu einem realistischen Lebensbericht aus, der detailgetreu umfangreiches Quellenmaterial zusammenfügt und sogar in ihren Tagebüchern verschwiegene oder beschönigte Elemente aufdeckt. Die Lektüre von Daniela Strigls Biographie entwirft ein facettenreiches Bild der Schriftstellerin und sorgt für ein umfassendes Verständnis für ihren Charakter. Parallelen zwischen der Autorin und ihren weiblichen Hauptfiguren werden herausgestellt, die sich durch persönliche Stärke auszeichnen, gleichzeitig aber dem weiblichen Ehr- und Tugendbegriff ihrer Zeit verhaftet bleiben. Deutlich wird somit der Eindruck einer tiefen Gespaltenheit zwischen Freiheitsdrang und dem Wunsch nach Konformität, von der Marie von Ebner-Eschenbach ihr Leben lang geprägt ist und welche es schwermacht, sie eindeutigen Stereotypen oder Klischees zuzuordnen.

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