Porträtkameen von Kaiserin Maria Theresia und ihrer Familie von Philipp Abraham (1734-1810)

Forschung

11.01.2018
Quellen zur Österreichischen Geschichte
Weiße Kamee von Maria-Theresia mit goldenem Rahmen

Autorin: Alexandra Smetana

Porträt-Kameen, erhaben geschnittene Edelsteine, stellen eine besondere Form der Porträtkunst dar. Innerhalb der Miniaturensammlung im Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek befinden sich fünf Kameen in einem Rahmen montiert: Kaiserin Maria Theresia und ihre beiden Söhne, die späteren Kaiser Leopold II. und Josef II., sowie ihre Tochter Erzherzogin Marie Christine und deren Ehemann Herzog Albert von Sachsen-Teschen. Maria Theresia ist in antikisierender Kleidung und mit Witwenschleier dargestellt, die anderen Porträts tragen zeitgenössische Kleidung. Das Bildnis Maria Theresias ist aus Onyx, die anderen Porträts aus Karneol geschnitten.

Abb.1: Tableau mit 5 Kameen von Philip Abraham, Montage und Rahmung 19. Jahrhundert, ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung (Signatur: Tab. XIX, 1-5)

Abb. 2: Kaiserin Maria Theresia, Onyx-Kamee von Philip Abraham (zugeschr.)

Bei genauer Betrachtung dieser Kameen stellte sich heraus, dass zwei davon, nämlich die Porträts von Kaiser Joseph II. und der Erzherzogin Marie Christine, vom bedeutenden Steinschneider Philipp Abraham (Stampfen/Stupava 1734–1810 Wien) unterhalb des Büstenabschnittes signiert bzw. monogrammiert sind. Eine Tatsache, die bis vor Kurzem unbekannt war und die insofern bemerkenswert ist, da nicht sehr viele von ihm signierte Stücke bekannt sind.

 

Abb. 3: Kaiser Leopold II., Karneol-Kamee von Philipp Abraham (zugeschr.)
Abb. 4: Kaiser Joseph II., Karneol-Kamee von Philipp Abraham, signiert „PHILIP ABRAHAM“

Innerhalb der Miniaturensammlung, die vor allem aus gemalten Porträts besteht, stellen die Kameen aufgrund ihrer Technik eine Ausnahme dar, lassen sich aber gut in die Kunst ihrer Zeit einordnen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es in Wien zu einer Renaissance der Kunst der geschnittenen Steine (Gemmoglyptik), die Technik selbst war seit der Antike bekannt und geschätzt. Der Ehemann Maria Theresias, Kaiser Franz I. Stephan interessierte sich besonders für die Steinschneidekunst. 1755 beauftrage er Louis Siriès (um 1786–1754), ein Bild der kaiserlichen Familie als Kameo zu schneiden, dazu wurde ein Onyx aus der Wiener Schatzkammer zu diesem nach Florenz geschickt. Um 1760 erwarb Franz Stephan en-bloc 168 Kameen des Künstlers, die kurz vorher in einem Katalog publiziert worden waren. Nach dem Tod des Kaisers kamen diese in die Schatzkammer. Auch die Porträtkameen von Philipp Abraham waren am Hof sehr geschätzt: In einem Nachtrag zum Schatzkammer-Inventar wird 1776 ein mit Diamanten umrahmter Kameo der Kaiserin Maria Theresia von Abraham folgendermaßen beschrieben: „mit marquisiten umfasten caledon mit der darauf-geseten bildisz ihrer Maj. der kaiserin-königin Maria Theresia, so von einem Juden sehr schön verschnitten […]“.[i] Dieser Kameo, der ebenfalls von Philipp Abraham signiert ist, ist heute noch im Bestand des Kunsthistorischen Museums (Inv.-Nr. ANSA XII 63)

Philipp Abraham begründete in Wien eine Dynastie jüdischer Steinschneider. Er wurde 1736 in Stampfen/Stupava in der Nähe von Pressburg/Bratislava geboren und arbeitete in Wien als Graveur oder „Petschierstecher“, d. h. er fertigte Gravuren auf Petschaften an, die zum Siegeln etwa von Briefen oder Rechnungen verwendet wurden. Auf Grund des im Schatzkammerinventar erwähnten Kameos der Kaiserin muss er schon in den 1770er-Jahren als Steinschneider gearbeitet haben. 1787 wird er in Wien als „Tolerierter“ der jüdischen Gemeinde erwähnt. 1789 wird er in einer Quelle als „Graveur avec privilège“ am Wiener Hof genannt. Von Philipp Abraham hat sich in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums noch ein weiterer in Karneol geschnittener Kameo mit der Darstellung Maria Theresias erhalten. (Inv.-Nr. ANSA XII 286). Vergleicht man die von ihm gesicherten Porträt-Kameen der Kaiserin mit ihrem Porträt im erwähnten gerahmten Tableau, so erkennt man eine so große Ähnlichkeit, dass eine Zuschreibung auch des neu entdeckten Porträts der Kaiserin an Philipp Abraham gerechtfertigt erscheint, ebenso auch der beiden weiteren nicht signierten Kameen aus Karneol (Kaiser Leopold II. und Herzog Albert von Sachen-Teschen), da sie aus demselben Material und stilistisch einheitlich mit den von ihm signierten Objekten gestaltet sind. Vermutlich sind die Kameen zwischen 1770 und 1790 entstanden.

 

Abb. 5: Erzherzogin Marie-Christine, Karneol-Kamee von Philipp Abraham, monogrammiert „P.A“
Abb. 6: Herzog Albert von Sachsen Teschen, Karneol-Kamee von Philipp Abraham (zugeschr.)

Auch die Söhne von Philipp Abraham waren als Graveure bzw. Steinschneider tätig: Hirsch Philipp Abrahm (Braunschweig 1766–1806 Wien) und vor allem Salomon Philipp Abraham (Wien 1758–1793 Wien), die aber beide noch relativ jung vor dem Vater verstarben. Von Salomon befindet sich ebenfalls ein Profilkameo von Kaiser Leopold II. im Kunsthistorischen Museum (Inv.-Nr. ANSA XII 91).

Kameen waren seit jeher ein Mittel der kaiserlichen Repräsentation und wurden auch im diplomatischen Verkehr eingesetzt: Beispielsweise schenkte das Kaiserhaus zwischen 1789 und 1793 eine Serie von Kameen von Vater und Sohn Abraham mit Porträts der kaiserlichen Familie an den befreundeten Hof nach Russland, da man von der Vorliebe Zarin Katharina der Großen für geschnittenen Steine wusste, die diese im großen Stil sammelte. Diese Porträtgemmen befinden sich heute in der Eremitage in Petersburg, darunter ein ebenfalls von Philipp Abrahm signiertes Porträt der Zarin in Karneol. (Eremitage Inv. Nr. K 1080)

Das Schicksal der Kameen aus dem Bestand der Nationalbibliothek lässt sich zwar nicht in allen Details nachvollziehen, allerdings haben sich doch einige Spuren ihrer Geschichte gefunden. Sie sind Teil der ehemaligen Familien-Fideikomissbibliothek des Hauses Habsburgs Lothringen, die seit 1921 Teil der Österreichischen Nationalbibliothek ist.[ii]

In dieser kaiserlichen Privatbibliothek wurden auch Porträts von Habsburgern in verschiedensten Materialien und Größen gesammelt. Eine ganze Reihe von Porträts wurde als zugehörig zur Familienbibliothek betrachtet, auch wenn sie räumlich nicht in der Bibliothek untergebracht waren. Die Kameen waren vorher im Besitz von Kaiser Maximilian I. von Mexiko, dem jüngeren Bruder von Kaiser Franz Joseph I.[iii] Sie befanden sich zusammen mit mehreren Miniaturen ursprünglich in dessen Schloss Miramare bei Triest. Nach Maximilians Tod 1867 kamen die Objekte nach Wien und wurden Teil der Familienbibliothek.

Abb. 7: Historische Aufnahme des Miniaturen-Kabinetts in der Hofburg. Die gerahmten Kameen befinden sich direkt unterhalb des Porträts von Papst Leo XIII., flankiert von zwei weiteren Miniaturentableaus. Foto von Paul von Salis-Soglio, 1904

Seit 1892 waren die Objekte im Miniaturen-Kabinett in der Hofburg ausgestellt. Dazu mussten sie einheitlich gerahmt und mit Beschriftungen versehen werden. Als man die Rahmen aus Messing anfertigte, orientierte man sich an den bereits im Kabinett vorhandenen Miniaturen-Tableaus. Ein Foto des Miniaturen Kabinetts von 1904 zeigt das Tableau mit den Kameen unter einem Porträt von Papst Leo XIII. in seinem damaligen Zusammenhang innerhalb dieser kleinen Porträtgalerie. Während sich die meisten der Miniaturen noch heute als Dauerleihgabe der Österreichischen Nationalbibliothek in diesem Kabinett befinden (heute Präsidentschaftskanzlei), kamen die Kameen und einige Miniaturen wahrscheinlich aus Platzgründen im Lauf des 20. Jahrhundert an die ehemalige Familien-Fideikomissbibliothek zurück.

Über die Autorin: Mag. Alexandra Smetana ist Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bildarchivs und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek

[i] Zitiert nach Fritz Eichler: Die Steinschneider Abraham. In: Archiv für Medaillen und Plattenkunde, Bd. 5 (1925/26), S. 124

[ii] Alfred Windt: Beschreibendes Verzeichnis der zum Primogenitur-Fideikommisse des Allerhöchsten Kaiserhauses gehörenden Miniaturen, Wien 1905, S. 61, XIX Tableau , allerdings ohne Nennung eines Künstlers oder des Materials.

[iii] Robert Keil: Die Porträtminiaturen des Hauses Habsburg. Die Sammlung von 584 Porträtminiaturen aus der ehemaligen von Kaiser Franz I. von Österreich gegründeten Primogenitur-Fideikommißbibliothek in der Hofburg zu Wien, Wien 1999, 18–19

Literatur:

Walcher, Alfred Bernhard (1996): Geschnittene Steine des 18. und 19. Jahrhunderts in den Antikensammlungen des Kunsthistorischen Museums Wien. Gemmenschneider und Gemmensammler in Wien und das k.k. Münz- und Antikenkabinett, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 59 (1996), H. 2, S. 162–182

Mann, Vivian B.; Backhaus, Fritz (Hg.) (1996): From court Jews to the Rothschilds. Art, Patronage, and Power. 1600-1800. Munich-New York, S. 45 (zu Abraham und seinen Werken)

Smetana, Alexandra (2017): Neu entdeckte Porträtkameen der kaiserlichen Familie von Philipp Abraham innerhalb der Porträtminiaturen-Sammlung der Fideikomissbibliothek. In: Michaela Pfundner, Gabriele Mauthe, (Hg.): Maria Theresia: Habsburgs mächtigste Frau. Wien, S. 124–131

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