Mozart – ein Freimaurer

Forschung

04.07.2017
Musik
Zeichnung in Schwarz-Weiß, drei Menschen in Togas sitzen auf Stufen
Mozart – ein Freimaurer

Autor: Thomas Leibnitz

» Freimaurerei war ein wichtiger Aspekt des Wiener Geisteslebens des späten 18. Jahrhunderts. Auch außerhalb der Logen entstand eine Fülle von Werken des Theaters und des Musiktheaters mit freimaurerischer Thematik, besonders in der Periode Joseph II. Allein zwischen 1770 und 1800 wurden hier einundzwanzig Werke dieser Richtung aufgeführt – unter ihnen ist „Die Zauberflöte“ ohne Zweifel das herausragendste.

Abb. 1: Die Zauberflöte im Clavierauszug, eine Operette in zwey Aufzügen Musik von W. A. Mozart. (KV 620.)

Berührungspunkte mit freimaurerischem Gedankengut liegen bereits in Mozarts Jugend; im Alter von sechzehn Jahren verfasste er einen „Lobgesang auf die feyerliche Johannisloge“. Während es sich zu dieser Zeit bloß um ein Gelegenheitswerk ohne tieferen Zusammenhang mit Mozarts Anschauungen handelte, wandte er sich in seiner Wiener Zeit (ab 1781) bewusst und aus Überzeugung dem freimaurerischen Gedankengut zu. Sichtbares Zeichen dieser Orientierung war seine Aufnahme in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ am 14. Dezember 1784. Otto Freiherr von Gemmingen war zu dieser Zeit „Meister vom Stuhl“ dieser Loge; als Freund und Förderer des jungen Komponisten hatte er diesen in das Gedankengut des Bundes eingeführt.

Im Wien Josephs II. galt es nicht als anstößig, einer Freimaurerloge beizutreten – im Gegenteil, zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren Freimaurer. Es bestand eine Vielzahl von Logen, und es war auch nicht ungewöhnlich, sie zu wechseln. So verlegte auch Mozart bald nach seinem Eintritt in die „Wohltätigkeit“ seine Interessen zur „Wahren Eintracht“, wo Ignaz von Born als Meister vom Stuhl den Ton angab. Mozart wurde hier zum Gesellen erhoben und erreichte bald darauf den Grad des Meisters. Als Indiz für die Vereinbarkeit von Freimaurerei mit streng katholischem Welt- und Sittenbild mag gelten, dass Mozart seinen sehr konservativen Vater Leopold im April 1785 ebenfalls der „Wahren Eintracht“ zuführte. Am 11. Februar desselben Jahres war in dieser Loge auch Joseph Haydn aufgenommen worden.

Bald darauf erfolgte jedoch ein Eingriff auf politischer Ebene, der das freimaurerische Leben in Wien zwar nicht beendete, aber stark reduzierte. Joseph II. erließ ein „Handbillet“, mit dem er die bisher acht Wiener Logen auf zwei beschränkte. Es ist zweifelhaft, ob der Grund dafür in persönlichen Bestrebungen zweier führender Wiener Freimaurer (Johann Fürst von Dietrichstein und Ignaz von Born) lag oder in wirklichen oder vermeintlichen Fehlentwicklungen, die der Kaiser als „Gaukeleyen“ brandmarkte – jedenfalls schlossen sich drei Wiener Logen, unter ihnen die „Wahre Eintracht“ in der Sammelloge „Zur Wahrheit“ unter Ignaz von Born zusammen, weitere drei in der Sammelloge „Zur Neugekrönten Hoffnung“ unter Philipp Freiherr von Gebler. Dieser Loge trat auch Mozart bei und gehörte ihr bis zu seinem Tod 1791 an.

Mozarts Freimaurerkompositionen

Es kann nicht verwundern, dass der freimaurerische Einfluß auch Mozarts musikalisches Schaffen bestimmte. Er komponierte eine Reihe von Werken, die unmittelbar zur musikalischen Umrahmung des Rituals gedacht waren, und schließlich die Oper "Die Zauberflöte", das "Hohelied" der Freimaurerei, die als Verherrlichung der freimaurerischen Humanitätsidee und der Menschenliebe gilt. Es wurde vermutet, dass Mozart in der Gestalt des Sarastro dem von ihm tief verehrten Ignaz von Born ein Denkmal setzen wollte. Dessen Logenvortrag über die ägyptischen Mysterien hatte den Anstoß zur Entstehung des Werkes gegeben. Außer dieser Oper ist die "Maurerische Trauermusik" KV 477, die anlässlich des Todes zweier Brüder, des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin und des Fürsten Eszterhazy, komponiert wurde, zweifellos das bedeutendste freimaurerische Werk Mozarts, das auch von Otto Jahn, dem ersten wissenschaftlichen Mozart-Biographen, sehr hoch geschätzt wurde.

1785 komponierte Mozart zwei Kantaten: "Zur Eröffnung der Loge" KV 483 und "Zum Schlusse der Loge" KV 484. Im selben Jahr entstand zu Ehren Borns die Kantate "Die Maurerfreude" KV 471, die anlässlich des Besuches Mozarts in der Prager Loge "Zur Wahrheit und Eintracht" aufgeführt wurde.


Abb. 2: Die Maurerfreude (KV 471.) Eine Kantate gesungen am 24 April 1785 zu Ehren des H. w. Br: . B. n von imprint Wien

Ebenfalls 1785 schrieb Mozart das Lied „Gesellenreise“ KV 468 (Text von Josef Ratschky), wahrscheinlich aus Anlass der eigenen Beförderung. Werke freimaurerischen Inhalts sind weiters: die Solokantate "Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt" KV 619 (Text von Franz Heinrich Ziegenhagen), die Solokantate "Dir, Seele des Weltalls" KV 429 (eine Johannisfestkantate) und die "Kleine Freimaurerkantate" KV 623, die 1791 bei der Einweihung eines Tempels der Loge "Zur gekrönten Hoffnung" unter Mozarts Leitung kurz vor seinem Tode aufgeführt wurde und eine seiner letzten Arbeiten darstellt.

 
Abb. 3: „Dir, Seele des Weltalls“ KV 429

Es wirft Licht auf die Spannweite von Mozarts Denken, dass er in seinem letzten Lebensjahr sowohl an seinem Requiem arbeitete, als auch ein Werk wie Ziegenhagens Hymnus „Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“ vertonte. Die Komposition Mozarts auf Ziegenhagens Text erschien im Erstdruck als Notenbeilage zu dessen Schrift „Lehre vom richtigen Verhältnisse zu den Schöpfungswerken, und die durch öffentliche Einführung derselben allein zu bewürkende allgemeine Menschenbeglükkung“ (Hamburg 1792). Der Autor verlangt darin nichts Geringeres als die „Abschaffung der religionum“, die durch seine „Verhältnislehre“ ersetzt werden sollen: ein rationalistisches und durchaus revolutionäres Konzept, das alle transzendentalen Ausrichtungen des Menschen durch die Einführung allgemeiner Volkswohlfahrt und einer – durch Rousseau inspirierten – Agrarkultur zu befriedigen vermeinte. Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass Mozart den Inhalt dieser Abhandlung genau kannte, so manifestierte sich hier doch eine Glaubenshaltung, die von streng katholisch-konfessioneller Ausrichtung beträchtlich abwich.

Einstellung zum Tod

Eine gelassene Haltung dem Tod gegenüber spielte im freimaurerischen Meisterritual eine entscheidende Rolle: „Vor dem Tode mag der schadenfrohe Menschenfeind zittern; denn er ist ihm der Scherge, der ihn zum Richtplatz führt. Dem Freunde der leidenden Menschheit ist er ein Glücksbote, der ihn einladet, die Früchte seines Edelmuthes ewig zu genießen.“

Nicht nur bei seiner eigenen Beförderung zum Meister im Frühjahr 1785, sondern auch bei zahlreichen späteren Meisterhebungen erlebte Mozart dieses Ritual. Die hier ausgedrückte Gesinnung dem Tod gegenüber korrespondierte ebenso mit seinem eigenen Denken wie der Todesmentalität in Moses Mendelssohns Werk „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele“, das sich in seinem Besitz befand. Diesen Anregungen entwachsen ist der berühmte letzte Brief an seinen Vater Leopold vom 4. April 1787, der wie kein anderes Dokument geeignet ist, Licht auf die Überzeugungshaltung Mozarts zu werfen: „da der Tod /: genau zu nemmen :/ der wahre endzweck unsres lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! Und ich danke meinem gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit /: sie verstehen mich :/ zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren Glückseeligkeit kennen zu lernen.“
 

Literatur:
Sichrovsky, Heinz (2013): Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes. Die königliche Kunst in Musik und Dichtung der Freimaurer , Wien : Löcker

Braunbehrens, Volkmar (1986): Mozart in Wien, München : Piper
Irmen, Hans-Josef (1991): Der Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit oder Mozarts Vorstellungen vom Tod, in: Günther Brosche (Red.), Requiem. Wolfgang Amadeus Mozart 1791/1991. Ausstellung der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, 16. Mai bis 5. Dezember 1991, Katalog, Graz : Akad. Druck- u. Verlags-Anstalt
 

Zum Autor: Dr. Thomas Leibnitz ist Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek

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