Ja, ich will! – Tinder anno dazumal im Hochzeitsmonat Mai

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08.05.2023
Kurz und Fündig

Frage: Laut den Erzählungen meiner Großmutter haben sich ihre Eltern dank einer Zeitungsanzeige kennengelernt. Durch Zufall ist mir nun diese Anzeige in die Hände gefallen. Heiratsanzeigen gibt es ja nach wie vor, aber war das damals überhaupt üblich?

Ja, damals war diese Art von Schaltung in diversen Zeitungen äußerst beliebt. Das Internet wurde erst 100 Jahre später erfunden und es ziemte sich nicht – vor allem für eine „anständige“ Dame – abends alleine auszugehen. Ehen wurden vorwiegend von den Eltern arrangiert, aber sehr viele junge (und auch ältere) Heiratswillige wollten ihrem Glück auf die Sprünge helfen und suchten über Heiratsannoncen nach PartnerInnen. Manchmal, so wie im Fall der Urgroßeltern der Anfragerin, auch mit Erfolg!

Bevor wir uns nun auf die Suche nach historischen Zeitungsannoncen begeben, verschaffen wir uns einen Überblick darüber, was zu diesem Thema bereits erforscht wurde.

Wie wird’s gemacht? Unser Rechercheweg Step by Step

  • Step 1: Recherche nach Publikationen zum Thema Heiratsanzeige im Katalog QuickSearch

In unserem Online-Katalog QuickSearch gibt es verschiedene Möglichkeiten, um nach Publikationen zum Thema „Heiratsanzeige“ zu suchen. Wenn Sie zum Beispiel heiratsanzeige in den Suchschlitz eingeben und als Filter das Medium Buch auswählen, erhalten Sie die folgende Trefferliste:

Weiters können Sie auch nach

recherchieren. Sie werden fündig werden!

 

Sie sehen schon nach diesen ersten Rechercheschritten: Heiratsanzeigen in Zeitungen waren und sind immer noch ein Thema – aber wie waren diese um die Jahrhundertwende aufgebaut und formuliert? Diese Frage führt uns zum nächsten Schritt:

  • Step 2: Suche nach historischen Heiratsanzeigen in ANNO

Die oben genannten Suchbegriffe können Sie nicht nur in QuickSearch verwenden, sondern auch in der ANNO-Suche.

Da es eine Vielzahl an Suchmöglichkeiten gibt, haben wir nachfolgend nur einige „Gustostückerln“ ausgewählt, die, wie wir finden, für sich selbst sprechen.

Beginnen wir mit dem Zeitungsausschnitt der Anfragerin:

Neben der Suche nach der „reizenden Dame im schwarzen Kleide“ finden sich weitere nach heutigem Empfinden recht direkte und unkreative Anzeigen mit dem gleichen Ziel: der Verehelichung mit einer*einem vermögenden Partner*in. So wünscht „eine junge Dame (…) mit einem vermögenden Herrn in Korrespondenz zu treten“. Bösem Erwachen suchte man durch konkrete Angabe des Barvermögens entgegenzuwirken: „540 fl. Vermögen und schöne Ausstattung“ werden da etwa geboten.

Manchmal suchte man*frau aber nicht selbst, sondern ließ suchen. Aber wie sollte die Kontaktaufnahme zu Heiratsvermittler*innen erfolgen? Am besten ebenfalls über eine Zeitungsannonce:

In den meisten Fällen wollte man sich aber nicht auf eine Heiratsvermittlung verlassen, sondern wählte den günstigeren Weg der Eigenannonce, so wie der junge Künstler (ohne Vermögensangabe) oder der „gerichtlich geschiedene“ Privatier mit sehr konkreten Vorstellungen an die zukünftige Partnerin …

Unter den Heiratswilligen findet sich auch ein sogenannter Privatbeamter, augenscheinlich auf der Suche nach einem Neben-Domizil am Land.

Interessant finden wir auch diese Anzeigen, die auf der selben Seite wie die Annonce von unserem Privatbeamten zu finden sind, die aber eher den Anschein einer Stellenanzeige erwecken: Gastwirt sucht „allsogleiche Verehelichung“ mit Köchin, Restaurator sucht „arbeitsames Mädchen“ mit Geschäft, „Köchin bevorzugt“. Nicht nur (Privat-)Beamte oder KöchInnen suchten oder wurden gesucht, auch andere Berufsgruppen, wie Schlosser, Ingenieure, Akademiker oder Landwirte, platzierten ihre Wünsche nach ehelicher Wirtschaftsgemeinschaft in den Zeitungen.

Auch die Religionszugehörigkeit spielte bei der Partnerwahl eine große Rolle und war fixer Bestandteil der Personenbeschreibung:

Kommen wir nun zu weiteren besonders herausstechenden Heiratswünschen: von der „etwas stark entwickelten“ Bäckerstochter über die noch immer unverheiratete 20-Jährige die schon „mit trübseligem Blick dem 21. in die Augen schaut“ über den jungen Mann, den die Natur zwar nicht „verschwenderisch“ aber doch nach dem „Ebenbilde der Bewohner des Olymp“ ausgestattet hat, bis hin zum „braven“ Lehrer „frei von jeder Leidenschaft“, aber mit einem „fixen Einkommen“!

Ebenbild der Bewohner des Olymp?

Uneigennützige (?) wollten einfach nur glücklich machen:

In Bevölkerungsschichten, in denen die Partnersuche vorwiegend von Eltern bzw. Vormündern übernommen wurde, war es durchaus üblich, dass männliche Partnersuchende ihre Heiratsanträge direkt an diese adressierten:

Aber auch für die Schwester/Tochter bzw. den Bruder/Sohn wurde gesucht – schließlich musste die gesamte Familie, vor allem die Väter, mit dem neuen Familienmitglied einverstanden sein und ihre Einwilligung zur Eheschließung geben.

An dieser Stelle möchten wir auf die Diplomarbeit von Martina Mantinger „Beobachtungen zum sprachlichen Wandel in Heiratsanzeigen der (Neuen Freien) Presse von 1888 bis 1999“ verweisen, die sehr interessante Untersuchungen und Analysen zu Heiratsanzeigen im Wandel der Zeit thematisiert.

Interessant wäre sicherlich zu wissen, wie die jeweiligen Antwortschreiben ausgesehen haben – vielleicht so oder so ähnlich wie an die Modistin in Die Heiratsannonce Studien und Briefe (S. 59):

Anzeige:

„Modistin, eigenes Geschäft, hübsche, flotte Erscheinung, Ende 20er, wünscht zwecks Heirat stattlichen, gebildeten Herrn, am liebsten tüchtigen Kaufmann, elegant, kennen zu lernen.“

Antwort:

„Sehr geehrtes Fräulein! Bezugnehmend auf die Annonce in der Morgenpost erlaube ich mir mitzuteilen, daß ich die gewünschte Persönlichkeit bin, bitte um nähere Mitteilung. Hochachtungsvoll E. A.“

Zum Abschluß noch ein Beitrag aus der „Westböhmischen Tageszeitung“:

Demnach stammt die wahrscheinlich älteste Heiratsanzeige aus dem Jahr 1783 sogar „von einer Frau, die also schon damals, als man noch weit davon entfernt war, von einer Selbständigkeit der Frau sprechen zu können, sich zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschloß, um zu einem Ehegemahl zu kommen (…) Sie brauchte nämlich einen männlichen Beistand zur Regelung einer Erbschaftsangelegenheit.“

Wir hoffen sehr, dass sie einen geeigneten Mann gefunden hat, der nicht nur an ihrer Erbschaft, sondern vor allem an einer mutigen, emanzipierten Frau interessiert war!

In diesem Sinne, lassen Sie sich gegebenenfalls für Ihren eigenen gelungenen Online-Auftritt inspirieren! Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Schmökern in vielen weiteren, aus heutiger Sicht kuriosen, Heiratsanzeigen in ANNO - AustriaN Newspapers Online.

Können wir Ihnen bei Recherchen helfen? Kontaktieren Sie unsere Bibliotheksexpert*innen:

Abt. Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement
Josefsplatz 1
1015 Wien

Persönlich: Mo.– Fr. 9.00 – 21.00 Uhr
Tel.: +43 1 534 10-444
information[at]onb.ac.at

Live-Chat: Mo.-Fr. 9.00 – 21.00 Uhr

Workshops und Seminare zur Optimierung Ihrer Recherchekompetenz: https://www.onb.ac.at/bibliothek/center-fuer-informations-und-medienkompetenz

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